Dresden Guide

Susanne Reichelt

Dardanellen, Hellhaus, Frauenteich

am 14. Februar 2021 von Susanne Reichelt

Ein Spaziergang in der Kulturlandschaft Moritzburg

Nun hat der Winter sogar einmal die sonst eher schmuddelwettergewohnten tiefen Lagen und Täler erreicht und sie heute  im Bunde mit der Sonne in ein perfektes Winterwunderland mit glitzernder Schneedecke verwandelt. Die Gegend um Moritzburg mit ihren vielen Teichen punktet dank tagelangen Dauerfrostes außerdem mit perfekten Eisflächen, für eisaffine Wintersportler viel zu verlockend, um den Lebensgefahr-Warnschildern am Ufer Beachtung zu schenken – und so herrscht ein buntes Eisläufer-Gewimmel besonders auf dem Schlossteich vor der immer wieder fotogenen majestätischen Schlosskulisse.

Wir finden mit etwas Geduld einen Parkplatz am Wildgehege und starten hier unsere Tour, gehen um das geschlossene Gehege herum  zum Großteich und haben bald einen ungewöhnlichen Blick auf das Dach des Fasanenschlösschens mit der Chinesenfigur obenauf, das über einem schneebedeckten Hügel hervorlugt.

Es war der Urenkel Augusts des Starken, Friedrich August der Gerechte, der sich lieber hier, etwas abseits des prächtigen Jagschlosses aufhielt und dafür ein kleines, aber sehr feines und luxuriös ausgestattetes Schlösschen anstelle des schlichteren Vorgängerbaus errichten ließ, für das man bei den Staatlichen Schlössern und Gärten Sachsens den sehr treffenden Begriff vom „Paradies in der Nussschale“ gefunden hat, nachdem dieses Kleinod in den letzten Jahrzehnten Stück für Stück sehr sorgfältig restauriert worden ist und nun sommers für kleine Besuchergruppen zugänglich ist. Durch eine versteckte Tür in einem der kleinen Erdgeschossräume konnte der Kurfürst seinerzeit direkt  in die südlich angebaute Fasanenvoliere gelangen, Tiere und Pflanzen gehörten ja zu den Interessens-, ja man kann sogar sagen Forschungsgebieten dieses außergewöhnlichen Herrschers. 

Im Vergleich zu seinem Urgroßvater, der bekanntlich einen gigantischen Aufwand besonders für Festivitäten betrieb, hielt Friedrich August der Gerechte den Ball auch in dieser Hinsicht etwas flacher, aber zum Namenstag seiner Gemahlin Amalie Auguste am 3. August ließ er es dann doch regelmäßig krachen. Und das sogar im wahrsten Sinn des Wortes, z. B.  1776, als man „echten Kriegslärm“ erzeugte mit den Kanonen einer Miniaturfregatte, die man auf dem Großteich kreuzen ließ und von der Mole, den Inseln und den Ufermauern aus mit donnerndem Feuerwerk beschoss. Hintergrund für das ganze Spektakel war der russisch-türkische Krieg von 1768-1774, in dessen Verlauf die Seeschlacht von Tschesme entscheidend war. Dort, an der Meerenge zwischen Marmara- und Ägäischem Meer,  an den – echten – Dardanellen, war der Flotte Katharinas der Großen 1770 ein triumphaler Sieg über die türkische Armada gelungen, was ganz Europa in einen Freuden- und Siegestaumel versetzte und allerorten Gesprächsstoff war, natürlich auch am sächsischen Hof. Hier erhielt man Kunde davon sozusagen aus erster Hand, erschien doch anlässlich des Namenstages der Kurfürstin 1775 als Ehrengast einer der wichtigsten Akteure dieser Schlacht, der russische Graf Orlow, Katharinas Flottenadmiral und Bruder ihres Geliebten. Seine vermutlich ausschweifenden Erzählungen  mögen die Anregung für das anschauliche „Reenactment“ im Folgejahr gewesen sein, das wir Spaziergänger in dieser eigenwilligen Kulturlandschaft uns heute trotz mancher Verluste und Veränderungen noch ganz gut vorstellen können.

Über die Moritzburger „Dardanellen“ gelangen wir heute sogar ausnahmsweise zu Fuß dank des vereisten Teiches, der sich hier verengt und in einen Kanal übergeht, der dann scharf gewinkelt hinüberführt zu der heute verlandeten Wasserstraße,  die schnurgerade zum Fasanenschlösschen führt. Fuhr man also seinerzeit an der „Küste“ beim Leuchtturm mit dem Boot ab, gelangte man durch die Dardanellen gewissermaßen von Europa nach Asien und beendete die Beinahe-Weltreise quasi im fernen Osten, wo man vom nickenden Chinesen auf dem Dach des Fasanenschlösschens begrüßt wurde. Wendet man sich um, erblickt man das Barockschloss durch die perfekte Sichtachse, die einzige tatsächlich realisierte und noch erkennbare von insgesamt wohl 12 geplanten Schneisen, die sternförmig um das Schloss angelegt werden sollten.

Ein anderer, kleinerer Schneisenstern im dichten Forst nördlich des Barockschlosses ist hingegen noch erlebbar und wird in nicht allzu ferner Zeit auch wieder seinen glanzvollen Mittelpunkt haben, denn das seit einer Brandstiftung 1988 nur noch als Ruine in Dornröschenschlaf versunkene Hellhaus, ein zierlicher Jagdpavillon im Rokokostil, wird dank der Initiative einiger unerschrockener Idealisten nun äußerlich wieder aufgebaut, wie wir erfreut sehen und auf den Tafeln am Bauzaun lesen können. 

Wie die Strahlen eines Sternes gehen von diesem Gebäude, das bei der höfischen Parforcejagd als Aussichtspunkt und Picknickplatz gleichermaßen diente, acht nummerierte Schneisen aus, wir gehen auf Nr. IV weiter und gelangen alsbald zu einem weiteren der zahlreichen Teiche rund um Moritzburg, dem Frauenteich. Der ist mit seinen Uferzonen nicht nur Landschafts- sondern auch Naturschutzgebiet wegen seiner außergewöhnlichen und z. T. gefährdeten Flora und Fauna, so brüten und rasten hier beinahe 200 Vogelarten, ein Eldorado also für Naturliebhaber, die von einer extra eingerichteten Beobachtungskanzel aus hier auf ihre Kosten kommen können – mit Fernglas und Geduld.

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Susanne Reichelt

Bei Dresden geboren und aufgewachsen und an der Leipziger Universität zum Übersetzer und Dolmetscher für die englische und französische Sprache ausgebildet, lebe ich seit 1988 in Dresden und bin seit 1995 lizenzierte Stadtführerin und Mitglied im Berufsverband Dresdner Gästeführer. Meine Begeisterung für die Stadt, ihre reichen Kunstschätze und die reizvolle Umgebung möchte ich gern an Sie weitergeben!

Ich freue mich auf Ihre Anfrage und berate Sie gern bei Ihrer Reiseplanung!
Born near Dresden and trained as an interpreter and translator for English and French I have lived in Dresden since 1988 and worked as a free-lance tour guide in and around Dresden since 1995.

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Née près de Dresde et formée comme traductrice-interprète pour anglais et français j’habite Dresde depuis 1988 et travaille comme guide touristique indépendante à Dresde et ses alentours depuis 1995.

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