Dresden Guide

Susanne Reichelt

Finckenfang, Kroatenschlucht, Teufelsmühle

am 31. Januar 2021 von Susanne Reichelt

Eine Winterwanderung im Erzgebirgsvorland

Sonntag, Sonne, Schnee und blauer Himmel – das seltene Zusammentreffen dieser Umstände lockt unwiderstehlich ins Freie! Die Kammloipen des Osterzgebirges, die sonst sicher bei dem Wetter Ziel eines Langlauf-Ausfluges geworden wären, liegen leider nicht im coronakonformen 15-km- Umkreis – aber so machen wir aus der Not eine Tugend und erkunden eine landschaftlich ebenso reizvolle und dazu geschichtsträchtige Gegend am südlichen Rande des Elbtalkessels, hoch genug gelegen, dass die Wintersonne der weißen Pracht noch eine Gnadenfrist gibt, uns aber dank der Windstille schon recht kraftvoll wärmt, besonders bei den Anstiegen.

Und bergauf geht es gleich zu Beginn der Tour, nämlich auf den „Finckenfang“ bei Maxen. Im eigentümlichen Namen dieser Anhöhe schwingt eine gute Portion sächsischer Spott und eine gewisse Genugtuung mit, war doch hier das Kriegsglück ausnahmsweise mal nicht auf der sonst siegverwöhnten preußischen Seite, und da frohlocken nun mal die Sachsen, die selbst nicht gerade für militärische Glanzleistungen bekannt sind. „Finck“, genauer Generalleutnant Friedrich August von Finck, so hieß der bedauernswerte Befehlshaber der 15.000 Preußen, die hier von zahlenmäßig mehr als doppelt so starken österreichischen Truppen hoffnungslos in die Enge getrieben wurden, massenweise Verluste erlitten und angesichts der aussichtslosen Lage reihenweise desertierten, so dass dem General nichts anderes übrig blieb, als zu kapitulieren und sich mit den Überlebenden in Gefangenschaft zu begeben – daher der „Finckenfang“. Dieser denkwürdige Tag war der 20. November 1759, mitten im 7jährigen Krieg, aus dem dann 4 Jahre später Friedrich II. (auch der Große genannt) allerdings als Sieger über Österreich hervorging, was für Sachsen – wie meist mit den Verlierern im Bunde – das bittere Ende seiner glanzvollsten Zeit mit sich brachte.

Schauerlich, dass man hier also auf blutgetränktem Boden steht, andererseits ist die Aussicht von hier in alle Himmelsrichtungen geradezu überwältigend! Im Osten die unverwechselbaren Tafelberge der Sächsischen Schweiz, der sich südlich das Osterzgebirge mit seinen wenigen markanten Kuppen anschließt, westlich der Dresdner Talkessel, der von den Elbhängen bis hin zum Borsberg im Norden begrenzt wird – ein tolles Panorama!

Etwas mühsam abwärts stakend und schlitternd beobachten wir amüsiert und ein ganz klein bisschen neidisch die johlenden Kinder auf ihren Schlitten und Rutschebretteln bei ihrer rasanten Talfahrt. Während die Rodler gleich wieder nach oben steigen, um das Vergnügen noch mal zu erleben, gehen wir weiter bergab, in einen feuchten, immer tiefer und enger zulaufenden Taleinschnitt hinein, die „Kroatenschlucht“. Auch dieser Name hat angeblich mit der besagten Schlacht zu tun, sollen doch die kroatischen Truppenteile der österreichischen Hauptarmee durch diese Schlucht aus dem Lockwitztal heraus zum Gefecht hinzugestoßen sein. Gut möglich, die Armee des Vielvölkerreiches Habsburg setzte sich ja aus unterschiedlichen Ethnien zusammen. Die Kroaten hatten bei der Sicherung der Militärgrenze gegen die Türken seit dem 16. Jh. eine wichtige Rolle gespielt und besonders seit dem 30jährigen Krieg war die kroatische Reiterei überall auf dem Kriegsschauplatz Europa berühmt oder – je nach Sichtweise – berüchtigt. Während die südosteuropäischen Söldner – gewiss nicht nur diese und durchaus nicht nur Kroaten – hemmungslos plünderten, brandschatzten, schändeten und mordeten und so unter der Landbevölkerung furchtbares Leid, Angst und Schrecken verbreiteten, genossen sie in Herrscherkreisen große Anerkennung wegen ihrer Unerschrockenheit, Kühnheit, Härte und wurden daher gerne als Bodyguards angeheuert. So legte sich der französische König Ludwig XIV. eine Cravate Cavalerie zu, und weil der Sonnenkönig nun mal der Trendsetter war, ließ auch unser Kurfürst Johann Georg II. eine „Leib Compagnie Kroaten zu Ross“ anwerben. 87 Mann und ebenso viele Pferde wurden am 24. März 1660 auf dem Markt zu Pirna gemustert, unter ihnen wohl auch ein gewisser Janko Šavadovic oder Johann Schadowitz, der das literarische Vorbild für die bekannte Lausitzer Sagengestalt Krabat wurde. Dessen Name leitet sich also von „Kroat“ oder „Kravat“ ab, und übrigens hat auch die vornehmere Bezeichnung für den Schlips in der typischen Halsschleife der kroatischen Söldner ihren Ursprung, wer hätte das gedacht!

Wir sind inzwischen im Lockwitztal angekommen und gehen gleich wieder bergauf, denn unser nächstes Ziel ist der Wilisch, mit 476 m wohl die höchste und damit schneesicherste Erhebung, die man als Dresdner derzeit coronaregelkonform erreichen kann. Nicht überraschend, dass sich hier zahlreiche Ausflügler tummeln und an der laweden*, verrammelten Wilischbaude über ihre Rucksackverpflegung herfallen, bei der – dem verräterischen Duft nach zu urteilen – wohl auch so manches alkoholische Heißgetränk nicht fehlen dürfte. Der Blick von hier ist auch toll, aber mit dem „Finckenfang“-Panorama kann er nicht ganz mithalten, wir schnörkeln durch recht unwegsames Gelände abwärts und erreichen – wieder den Wilisch!

Denn so heißt auch ein Bach, der sich durch ein überraschend wildromantisches Tal windet, das stellenweise durchaus zum Motiv etwa eines Caspar David Friedrich oder Johan Christian Dahl getaugt hätte!

Wir folgen dem quirligen Bach bis zu seiner Mündung in die Lockwitz und erreichen hier die Teufelsmühle, die heute ein beliebtes Ausflugslokal ist bzw. wäre, es ist ja gerade alles nicht wie sonst. Einkehren können wir also erwartungsgemäß nicht, aber natürlich müssen wir doch herausfinden, woher die Mühle ihren auffälligen Namen hat, sicher steckt eine nette Geschichte dahinter. Eine? Gleich fünf Sagen sind überliefert für die Teufelsmühle! Der bekanntesten davon zufolge bot der Teufel, als Müllerbursche verkleidet, dem verzweifelten Müller an, seine Mühle und das Wehr in einer Nacht wiederaufzubauen, nachdem es ein Unwetter zerstört hatte. Zum Lohn dafür sollte der Müller ihm sein schönes Töchterlein zur Frau geben. Der Deal wurde gemacht, und zum Glück für die schöne Müllerstochter krähte der Hahn in jener Nacht, bevor der Teufel die letzten 3 Stein am Wehr versetzen und sein Werk vollenden konnte. Ende gut, alles gut, die Mühle hatte damit ihren Namen, den sie allerdings mit vielen anderen nicht nur in Sachsen teilen muss, offenbar hatte der Teufel immer mal seine Hände im Spiel!

Unseren letzten kleinen Anstieg zurück zum Ausgangspunkt unserer abwechslungsreichen Wanderung verzaubert die tief stehende Sonne nun mit besonders kontrastreichen Wintereindrücken dieser entdeckenswerten Landschaft am Fuße des Osterzgebirges.

*sächsisches Wort für etwas ziemlich Kaputtes, nicht mehr Standsicheres, Verfallendes, Wackeliges, Altersschwaches

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Über mich About me À propos de moi


Susanne Reichelt

Bei Dresden geboren und aufgewachsen und an der Leipziger Universität zum Übersetzer und Dolmetscher für die englische und französische Sprache ausgebildet, lebe ich seit 1988 in Dresden und bin seit 1995 lizenzierte Stadtführerin und Mitglied im Berufsverband Dresdner Gästeführer. Meine Begeisterung für die Stadt, ihre reichen Kunstschätze und die reizvolle Umgebung möchte ich gern an Sie weitergeben!

Ich freue mich auf Ihre Anfrage und berate Sie gern bei Ihrer Reiseplanung!
Born near Dresden and trained as an interpreter and translator for English and French I have lived in Dresden since 1988 and worked as a free-lance tour guide in and around Dresden since 1995.

I would be happy to share with you my passion for the beautiful city of Dresden, its rich art collections and stunning surroundings. Please don’t hesitate to contact me for booking guiding services or asking any support you might need in preparing your trip to Saxony.

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Née près de Dresde et formée comme traductrice-interprète pour anglais et français j’habite Dresde depuis 1988 et travaille comme guide touristique indépendante à Dresde et ses alentours depuis 1995.

C’est avec plaisir que je partagerais avec vous ma passion pour cette belle ville, ses trésors d’art magnifiques et ses environs charmants. N’hésitez pas à me contacter pour réserver des services de guidage ou pour demander toute sorte d’assistance en préparant votre voyage en Saxe.

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