Dresden Guide

Susanne Reichelt

Zu Besuch bei Frau Minna Seidel im Seidewitztal

am 14. April 2021 von Susanne Reichelt

Eine Reise zur Kamelienblüte nach Zuschendorf und in die Geschichte einer sächsischen Gärtnerfamilie

Was für eine verschwenderische Pracht in rosa, rot und weiß – gefleckt, geflammt, gefüllt vor glänzendem Blattgrün! Wie wunderbar, dass man die Gewächshäuser der botanischen Sammlungen auf Schloss Zuschendorf bei Wahrung aller Vorsichtsmaßnahmen auch jetzt zur Kamelienblütezeit besuchen kann! Ich bekam den Tipp von befreundeten Kolleginnen und lasse mir das Vergnügen nicht entgehen, die exotischen Schönheiten zu bewundern: die glühend rote „Lady Campbell“, die rot-weiß gefleckte „Chandlers Elegans“ oder eben „Frau Minna Seidel“ mit ihren unglaublich perfekt angeordneten zartrosa Blütenblättern, von der ihr Züchter Hermann Seidel vor reichlich 100 Jahren selbst so entzückt war, dass er ihr den Namen seiner Frau Minna gab – was für eine schöne Liebeserklärung!

Wie war das gleich nochmal mit dieser Gärtnerdynastie Seidel? Ich versuche etwas Ordnung zu bringen in die vielen Traugott Leberechts, Hermanns, Jacobs und Friedrichs dieser verdienstvollen sächsischen Gärtnerdynastie:

Der ganz alte Seydel: Christoph – Begründer des Augustusbades

Schon der Urahn Christoph Seydel hat seine unternehmerischen Spuren in unserer Gegend hinterlassen. Er war ein Zeitgenosse Augusts des Starken und zeitweilig Bürgermeister in Radeberg. Nachdem er eine mineralhaltige Quelle im Tannengrund entdeckt hatte, gründete er ein gut florierendes Heilbad. Da sogar August der Starke seine „Lebens-Säffte“ mit dem Wasser zu erfrischen pflegte, durfte sich die Anstalt bald offiziell Augustusbad nennen, was heute noch in der Bezeichnung des Radeberger Ortsteils Liegau-Augustusbad aufscheint. Aber mit dem Gärtnern hatte der alte Christoph noch nichts am Hut, auch nicht sein Sohn, der das Gasthaus „Zum letzten Heller“ in den Hellerbergen und später die „Grüne Thüre“ in Friedrichstadt pachtete.

Der „Vater des sächsischen Gartenbaus: Hofgärtner Johann Heinrich Seidel

Erst der Enkel, Johann Heinrich Seidel – das Y im Namen war inzwischen klammheimlich einem I gewichen – wurde sächsischer Hofgärtner und ist als „Vater des sächsischen Gartenbaus“ in die Geschichte eingegangen. Er hegte und pflegte unglaubliche 4000 Arten und Sorten von höfischen Zierpflanzen in Der Herzogin Garten am Zwinger, die größte Sammlung ihrer Art in Europa. Goethe kam beachtliche fünf Mal zu ihm, und der besuchte ja bekanntlich vor allem solche Leute, von denen selbst er noch was lernen konnte.

Der Sohn: Jacob Friedrich – „Kamelienseidel“

Jetzt heißt es, den Überblick nicht zu verlieren, denn gleich vier Söhne des Johann Heinrich wurden wieder Gärtner und zwei Töchter heirateten welche. Als „Kamelienseidel“ bekannt wurde schließlich der jüngste seiner Söhne, Jacob Friedrich. Der gründete mit seinem Bruder Traugott Leberecht die Seidelsche Gärtnerei in der Seevorstadt, sie wurde dann in die Pirnaische Vorstadt verlegt.

Der Enkel: Hermann – Züchter der „Frau Minna Seidel“

Jacob Friedrichs Sohn hieß dann Hermann Seidel und züchtete jene Sorte, die er seiner Gattin Minna widmete. Ihm gelang es aber auch, erste Rhododendren in Sachsen zu kultivieren. Die pflanzte er in ein Kiefernwäldchen, das an seine inzwischen nach Striesen verlagerte Gärtnerei angrenzte – heute erinnert der nach ihm benannte Hermann-Seidel-Park an dieses Areal. Auch seine Kinder wurden wieder Gärtner, seine Tochter Rosalie heiratete in die berühmte Gärtnerdynastie Bouché ein, zwei seiner Söhne übernahmen die Gärtnerei, die zuvor noch einmal weiter stadtauswärts nach Laubegast verlegt wurde. Für die Züchtung frostharter Rhododendren wurde extra ein neues Gelände in der Lausitz angekauft, wo harschere Wintertemperaturen herrschen.

Die Urenkel: T.J. Rudolf und T.J. Heinrich – Begründer der beiden Familienzweige

Nun wird eine Sache einfacher: zwei der vielen Vornamen blieben in den nächsten Generationen immer die gleichen bei den Jungs: Traugott Jacob, kurz T. J. Wir sind jetzt so um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert in der Familiengeschichte angekommen, und mittlerweile ist das im wahrsten Sinn des Wortes blühende Unternehmen so groß geworden, dass sich eine Aufteilung anbot: Während der eine Bruder – T. J. Heinrich – die Gärtnerei in Laubegast weiterführte, ging der andere – T.J. Rudolf – ins raue Grüngräbchen und härtete dort die damals noch zimperlichen Rhododenren ab. Hier gilt mal wörtlich: Nur die Harten kommen in den Garten!

Die Vetter: T.J. Hermann und T.J. Otto Herbert – die Stehaufmännchen

Sie führten die beiden Zweige des Gärtnereiimperiums durch die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts und hatten wahrlich Schweres zu bewältigen: Kriegs- und Nachkriegszeit, Wirtschaftskrisen und Inflation. Doch immer wieder gelang ihnen der Neuanfang, sie konnten an frühere Erfolge anknüpfen, wurden hoch geehrt und international für ihre Züchtungen gefeiert. Die Moorbeetgärtnerei in der Lausitz konnte sogar nach 1945 der Enteignung und Verstaatlichung entgehen, ist noch heute in Familienbesitz und lockt besonders zur Rhododendronblüte Tausende Besucher!

Dem Dresdner Zweig blieb das Schicksal der Enteignung nicht erspart, sie wurde zu einem Volkseigenen Gärtnereibetrieb, VEG, und im Laufe der DDR-Zeit in immer zentralisiertere Betriebsformen eingegliedert. Immerhin wurden aber die alten Seidelschen Sorten pfleglich behandelt und sogar offiziell zum Erhaltungssortiment der DDR erklärt. Aber mit der Wende kam das endgültige Aus, die Auflösung durch die Treuhand. Die Gewächshäuser haben inzwischen längst Wohnhäusern Platz machen müssen.

Schlussendlich: Frau Minna Seidel zieht ins Seidewitztal

Wohin nun mit der wertvollen denkmalgeschützen Pflanzensammlung? Zum Glück war es einigen Hartnäckigen im VEG Saatgut schon kurz vor der Wende gelungen, den Abriss des völlig maroden Landschlosses Zuschendorf zu verhindern. Unter schwierigsten Bedingungen hatten sie bereits begonnen, es Schritt für Schritt zu sanieren, um es für die Bonsaizüchtung nutzen zu können. Mit Erfolg bemühten sie sich um die Übernahme der nun herrenlos gewordenen botanischen Kostbarkeiten der ehemaligen Seidelschen Gärtnerei und brachten sie nach Zuschendorf – und so kam Frau Minna Seidel schließlich ins Seidewitztal. Aber nicht nur sie, und nicht nur Kamelien! In kurzer jahreszeitlicher Abfolge hat Zuschendorf immer wieder neue Attraktionen zu bieten: neben den Kamelien blühen jetzt schon die Obstbonsais, bald die Azaleen, dann die Rhododendren und schließlich die Hortensien – Zuschendorf ist immer einen Besuch wert!

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Über mich About me À propos de moi


Susanne Reichelt

Bei Dresden geboren und aufgewachsen und an der Leipziger Universität zum Übersetzer und Dolmetscher für die englische und französische Sprache ausgebildet, lebe ich seit 1988 in Dresden und bin seit 1995 lizenzierte Stadtführerin und Mitglied im Berufsverband Dresdner Gästeführer. Meine Begeisterung für die Stadt, ihre reichen Kunstschätze und die reizvolle Umgebung möchte ich gern an Sie weitergeben!

Ich freue mich auf Ihre Anfrage und berate Sie gern bei Ihrer Reiseplanung!
Born near Dresden and trained as an interpreter and translator for English and French I have lived in Dresden since 1988 and worked as a free-lance tour guide in and around Dresden since 1995.

I would be happy to share with you my passion for the beautiful city of Dresden, its rich art collections and stunning surroundings. Please don’t hesitate to contact me for booking guiding services or asking any support you might need in preparing your trip to Saxony.

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Née près de Dresde et formée comme traductrice-interprète pour anglais et français j’habite Dresde depuis 1988 et travaille comme guide touristique indépendante à Dresde et ses alentours depuis 1995.

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