Dresden Guide

Susanne Reichelt

Kuhstall, Affensteine, Wilde Hölle

am 11. April 2021 von Susanne Reichelt

Kraxeln und Promenieren in der Hinteren Sächsischen Schweiz

Dieser Sonntag macht seinem Namen alle Ehre und ist ein wahres Geschenk: Nach launischen Aprilwetterkapriolen mit Graupelschauern und Sturm und bevor eine neue Polarluftfront den Frühling wieder ausbremsen wird, müssen wir diesen einzigen sonnigen, milden Tag einfach für eine ausgiebige Elbsandsteinwanderung nutzen!

Vom Beuthenfall zum Kuhstall und über die Himmelsleiter zum Neuen Wildenstein

Wir packen unser Frühstück als Proviant in den Rucksack und sind so noch vor dem großen Wandereransturm am Beuthenfall im Kirnitzschtal, wo wir uns auf den Weg zum Neuen Wildenstein mit der berühmten Kuhstallhöhle machen. Im Mittelalter gab es hier eine der zahlreichen Felsenburgen, auf denen meist böhmische Adelsgeschlechter zunächst für die Sicherheit der wenigen Handelsstraßen in dieser Grenzregion sorgten, später aber ins Raubrittertum verfielen und zu einer gefürchteten Landplage wurden. Sich dieser lästigen und gefährlichen Nachbarn zu entledigen und gleichzeitig ihr Herrrschaftsgebiet zu erweitern und zu sichern, lag im Interesse der aufstrebenden Wettiner, denen es bis zur Mitte des 15. Jh. gelang, sämtliche Burgen in dem Gebiet zu erobern, zu kaufen und/oder zu vernichten. Umstritten ist, ob der Kuhstall nun schon damals geraubtes Vieh beherbergte oder erst im Dreißigjährigen Krieg als Unterschlupf für die einheimischen Bauern samt ihren Kühen auf der Flucht vor marodierender Soldateska diente, vielleicht sind beide Geschichten wahr – oder keine von ihnen.

Wir sind nicht das erste Mal hier und doch wieder so fasziniert von der unglaublichen Formenvielfalt, die die geniale Bildhauerin Natur aus der im Kreidemeer entstandenen Sandsteinplatte geschnitten, gemeißelt, geschliffen, gesprengt und gewaschen hat. Im engen Felsspalt geht es über die Himmelsleiter hinauf auf das aussichtsreiche Plateau, das einst die Burg trug, und heute herrliche Aussicht über die Felsenwelt um den Kleinen Zschand bietet.

Der Kuhstall ist zwar die weitaus größte, doch nicht die einzige Höhle an dieser Felsgruppe, immer wieder gibt es überraschende Aus- und Durchsichten, die zu erreichen mitunter durchaus etwas körperliche Gewandtheit verlangen, wenn man etwa im Entengang durch niedrige Felstunnel kriechen oder über Eisenklammern einen Höhenunterschied überwinden muss.

Auf dem Fremdenweg zum Kleinen Winterberg

Nun geht es erst einmal viel gemächlicher weiter, auf dem Fremdenweg spazieren wir eher als dass wir wandern und müssen an die ersten „Schweizreisenden“ denken, an die der Name des Weges erinnert. Galten die „böhmischen Wälder“ vordem als unpassierbar, gefahrvoll, ja „abscheulich“ und „grauselig“, so kam es unter den gebildeten und wohlhabenden Städtern gegen Ende des 18. Jh. in Mode, die wilde Felsenwelt, die man inzwischen von Zeichnungen und Gemälden oder Kupferstichen einiger zeitgenössischer Maler kannte, selbst in Augenschein zu nehmen. Und so kamen die einheimischen Bauern, Steinbrecher, Flößer, Fischer, Müller, Köhler, Holzfäller nach und nach zu einer neuen Einkommensquelle, indem sie die Fremden gegen Entgelt beköstigten, beherbergten, führten oder gar in Sänften durch die Gegend trugen. Ihre Nachkommen können noch heute vom Fremdenverkehr leben, den man heute Tourismus nennt und dessen stetiger Aufschwung einerseits wünschenswert ist, andererseits auch eine Bedrohung für diese einmalige und schützenswerte Landschaft ist.

Der Kleine Winterberg sieht beim Näherkommen gar nicht mehr so klein aus! Er gehört übrigens wie sein großer Bruder zu jenen Formationen, durch deren Sandsteinmassiv vulkanisches Gestein gedrungen ist, das an der Oberfläche zu einer Basaltkuppe erstarrt ist, so dass die typische Tafelbergform bei ihnen fehlt, was sich in der Regel auch an ihrer Bezeichnung als „Berg“ im Gegensatz zum flachen „Stein“ widerspiegelt. Da das vulkanische Gestein sehr langsam zu einem nährstoffreichen Boden verwittert, bietet der Untergrund günstige Bedingungen vor allem für Buchen, während auf reinen Sandsteintafelbergen in den oberen Zonen überwiegend die weniger anspruchvollen Birken und Kiefern den trockenen und kargen Bedingungen trotzen können. Für Wanderer wie uns haben die fast nackten Sandsteingipfel natürlich immer den Vorteil der freien Sicht in die Landschaft, und zum Glück ist der Kleine Winterberg so eine Art Hybrid aus Berg und Stein und weist an seinen Randzonen ausgesetzte Felsklippen auf, von denen sich ein frappierender Blick auftut zurück zum Neuen Wildenstein mit der großen Kuhstallhöhle.

Ganz oben auf dem Gipfel des Kleinen Winterberges, nur über einen ausgewiesenen Bergpfad zu erreichen, erhebt sich ein Rundpavillon, der zwar erst ca. 200 Jahre alt ist, aber wohl die Stelle eines alten Jagdhäuschens aus dem 16. Jh. markiert. Eine lateinische Inschrift über dem Eingang gibt Auskunft darüber, dass Kurfürst August hier 1558 einen kapitalen Hirsch erlegte.

Über den Oberen Affensteinweg zur Idagrotte

Nun geht es weiter über den Oberen Affensteinweg ohne allzu große Höhenunterschiede mit immer wieder anderen Perspektiven auf die bizarre Felsenwelt bis hin zum Frienstein, der mit der Idagrotte ebenfalls eine inzwischen sehr bekannte und beliebte Höhle aufzuweisen hat. Zu ihr zu gelangen setzt allerdings doch die Bereitschaft zu sportlichen Klettereinlagen und am Ende gar zu höhenangstfreiem Balancieren auf schmalem Grat direkt am Abgrund voraus. Vielleicht macht gerade das ihre offensichtliche Anziehungskraft aus. Die Idagrotte ist eine Schichtfugenhöhle wie der Kuhstall, aber durch herabstürzende Felsblöcke außerdem zum Teil auch eine Trümmerhöhle. Auch sie war Teil einer mittelalterlichen Felsenburg, an die noch verschiedene Spuren wie Falze und Stufen in der Höhle erinnern.

Durch die Wilde Hölle und auf dem Unteren Affensteinweg ins Kirnitzschtal

Unsere Tour wird nun noch länger als geplant, der kurze Weg zurück ins Kirnitzschtal gehört zu den derzeit wegen der Borkenkäferschäden unpassierbaren und gesperrten Wege, und so steigen wir dem Satanskopf über die Schulter, kriechen durch ein Felsloch, kraxeln über kaum erkennbare Felssteige immer wieder auf und ab. Man könnte meinen, dass die Affensteine ihren Namen von dieser Kletterei haben, aber naürlich ist es mal wieder nicht so naheliegend. Man nannte in der Region den Uhu in früheren Zeiten „Auf“, und dessen Vorkommen – zum Glück noch heute gelegentlich nachgewiesen – ist auch viel wahrscheinlicher als das von Affen, auch wenn wir uns gerade ganz wie Kletteraffen fühlen. Wir lieben solche anspruchsvollen abwechslungsreichen Wege, sind so fasziniert von steil aufragenden Felsnadeln, seltsam erodierten Wänden, bizarren Wurzelformen, eigenartigen Pflanzen, dass wir die Anstrengung des ständigen Auf und Ab gar nicht spüren. In der Wilden Hölle, in die wir zum ersten Mal abwärts steigen, ist noch einmal volle Konzentration gefragt, besonders auf den schmalen Eisenklammern, ohne die man einige der Klüfte ohne Kletterausrüstung gar nicht überwinden könnte. Wir beobachten einen ehrgeizigen Hundebesitzer, der sein überfordertes Tier unbedingt über die steilen Leitern und durch die Spalten bewegen will – armer Hund…

Und dann dürfen wir zum Ausklang noch einmal entspannt spazieren, der Untere Affensteinweg bringt uns mit herrlichen Blicken auf den Bloßstock und seine Nachbarfelsen wieder hinunter zum Beuthenfall im Kirnitzschtal, wo wir am frühen Morgen diese anstrengende, aber ausgesprochen abwechslungs- und erlebnisreiche Tour begonnen haben.

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Über mich About me À propos de moi


Susanne Reichelt

Bei Dresden geboren und aufgewachsen und an der Leipziger Universität zum Übersetzer und Dolmetscher für die englische und französische Sprache ausgebildet, lebe ich seit 1988 in Dresden und bin seit 1995 lizenzierte Stadtführerin und Mitglied im Berufsverband Dresdner Gästeführer. Meine Begeisterung für die Stadt, ihre reichen Kunstschätze und die reizvolle Umgebung möchte ich gern an Sie weitergeben!

Ich freue mich auf Ihre Anfrage und berate Sie gern bei Ihrer Reiseplanung!
Born near Dresden and trained as an interpreter and translator for English and French I have lived in Dresden since 1988 and worked as a free-lance tour guide in and around Dresden since 1995.

I would be happy to share with you my passion for the beautiful city of Dresden, its rich art collections and stunning surroundings. Please don’t hesitate to contact me for booking guiding services or asking any support you might need in preparing your trip to Saxony.

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Née près de Dresde et formée comme traductrice-interprète pour anglais et français j’habite Dresde depuis 1988 et travaille comme guide touristique indépendante à Dresde et ses alentours depuis 1995.

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